Böses Häschen: Zsá Zsá hat die Formel für schnellen Erfolg gefunden

Die Berliner Sängerin Zsá Zsá macht vor, wie es geht: Erst kommt Social Media, dann die Musik. Schlaues Marketing-Kalkül – aber auch mehr?

Ich komme, um euch zu verführen. Um euch heiß zu machen. So könnte man den Titel von Zsá Zsás erster Tour „Thirst Trap“ auch übersetzen. Diese Durstfalle gibt einem Social-Media-Trend einem Namen, in dem es darum geht, dass eine Nutzerin sich in der Pose der Verführerin präsentiert – aber immer mit dem Subtext: Haben kannst du mich trotzdem nicht, das hier ist nur dein Traum, deine Fantasie.

Zsá Zsás aktueller Hit „Bad Bunnies“ macht deutlich, worum es geht, darin heißt es etwa: „Ich bin seine Fantasy / Ich seh’s ihm an, er hat Big-Dick-Energy.“ Und im Song „Bestie“ singt sie: „Er will meine Bestie klärn, Baby nicht im Traum /  Stell dich hinten in die Schlange mit den anderen Clowns“. Vorgetragen in spaßfixierter Girlboss-Manier.

Ihre Fans kennen Zsá Zsá Inci Bürkle, wie die Musikerin mit ganzem Namen heißt, seit der Kindheit. In den Nullerjahren wurde sie als junge Darstellerin in der Filmreihe „Die wilden Hühner“ bekannt.

Ein Refrain, dazu mit den Händen geformte Hasenohren

Nun hat Zsá Zsá die Spielfläche erweitert: Neben Rollen in beliebten Serien („Bozen-Krimi“, „Dünentod“) bringt sie als Sängerin eine neue Generation zum Tanzen. Auf Tiktok und Instagram kann man zusehen, wie Userinnen zu Zsá Zsás Hyperpop-Songs stets die gleiche Choreografie abspulen: Sie halten zwei Hände hinter den Kopf und formen damit wackelnde Hasenohren.

Dieser eine Tanzmove reichte, um die Single „Bad Bunnies“ der 29-Jährigen bei Tiktok nach ganz oben zu spülen – obwohl es anfangs nur einen kurzen Ausschnitt zu hören gab. Als der Song schließlich veröffentlicht wurde, stieg er auf Platz drei in den deutschen Charts ein; mittlerweile haben auf Tiktok 30.000 Menschen zu ihm den Hasenohren-Move gemacht.

Es ist eine neue Marketingstrategie aufstrebender Popstars: Erst kommt Social Media, dann das Musikbusiness. Immer mehr Sängerinnen und Sänger lassen sich von ihrem digitalen Publikum in die Charts tanzen. Die Erfolgsformel: Die Songs unter zwei Minuten, Einstieg mit dem Refrain, dazu ein paar Bewegungen, die für jeden nachmachbar sind. Erst kommt der Tanz, dann folgt der Chart-Erfolg. Auch Musiker wie Zartmann und Ski Aggu sowie die Rapperin Ikkimel (Albumtitel: „Fotze“) sind mit diesem Konzept erfolgreich geworden.

Zsá Zsás Themen: Männer, Rausch, Sex

Eine Durchbruchsgarantie gibt es nicht, doch erkennbare Wege, den Erfolg wahrscheinlich zu machen: Die Videos scheinen spontan aufgenommen, fast laienhaft, im WG-Zimmer oder mitten in der Öffentlichkeit. Die Songtexte, über Männer, Rausch und Sex sind oft provozierend. In den Kommentarspalten wird verlässlich darüber diskutiert, ob das Ganze nun feministisch sei oder überhaupt nicht gehe.

Zsá Zsá tanzt zu ihren Songs gern neben ihrer besten Freundin, der Schauspielerin Ruby O. Fee, die praktischerweise 500.000 Follower auf Instagram mitbringt. Und manchmal liefert Fees Ehemann, der Schauspieler Matthias Schweighöfer, einen Cameo-Auftritt.

Zsá Zsás Themen liegen gerade im Trend. Sie singt davon, sich als junge Frau zu nehmen, was sie wolle. Party machen, Teile schmeißen, begleitet von einer Freundinnen-Armada. Ihre Musik klingt, wie sich die besten Sommerabende als Teenager anfühlen: frei, unbeschwert, für den Spaß von heute das Morgen vergessen.

„Red Bull, high sein, Kopffick, notgeil, Whatsapp, Stand-by, Airdrop, Klingelton, Minirock, hitzefrei“, reiht sie in „Bad Bunnies“ aneinander.

Feminismus oder Rollenklischee?

Zsá Zsá präsentiert sich sexy (was der Tiktok-Algorithmus gutheißt) und verleiht sich gleichzeitig den Anschein von Emanzipation. Ihre Selbstinszenierung wirkt selbstermächtigend, folgt zugleich den Codes einer Musikindustrie, die eine Künstlerin am liebsten zur Marke aufbauen will.

Die Währung heißt Attraktivität. Vorausgesetzt wird die Bereitschaft, sie selbst zu sexualisieren, sich also zur Durstfalle zu machen.

Mit ihren Texten und ihrem Auftreten stößt Zsá Zsá damit eine Debatte an, die aufkommt, sobald eine Frau sich in die Öffentlichkeit wagt. Man konnte das zuletzt besonders gut an der Sängerin Shirin David beobachten. Viele fragten: Ist das, was sie da macht, feministisch oder Rollenklischee? Dabei kann man schon dieser selbst Frage kritisch gegenüberstehen: Frauen werden nicht alleine für ihre Kunst bewertet oder gefeiert – sie werden gesellschaftspolitisch beäugt. Besonders sichtbar wird das, wenn man den Spieß einmal umdreht. Hat sich bei Zartmann oder Ski Aggu zu Beginn ihres Hypes jemand gefragt, wie sie zu Frauenrechten stehen und ob sie diesbezüglich eine besondere Message mitbringen? Eher nicht. 

Rosa Reitsamer, Soziologin in Wien, forscht zu postfeministischem Denken in der Musik. Das, erklärt sie, setze in den meisten Fällen auf individuelle Wahlfreiheit und Selbstoptimierung: „Frauen sollen ihren Körper und ihre Psyche als Quelle der Macht verstehen – wer sich optimiert, gilt als frei.“ Kritisch sieht sie es, wenn Künstlerinnen ihre individuelle Freiheit betonen, dabei aber die übergeordneten Gesellschaftsprobleme nicht ansprechen. „Feminismus, der als soziale Bewegung verstanden wird, thematisiert soziale Ungleichheiten auf einer strukturellen Ebene. Bei Sängerinnen wie Zsá Zsá und Ikkimel fehlt eine Sprache, die das tut“, so Reitsamer.

Digitale Aufmerksamkeit als Chart-Garant

Aber muss jede Künstlerin, die sich als Feministin versteht, offen Gesellschaftskritik üben? „Klar kann man es als Selbstermächtigung lesen, wenn Frauen ihre Sexualität bewusst betonen. Aber im Kontext des Postfeminismus, wo Schönheit und Freiheit stark vom männlich-heteronormativen Blick geprägt sind, greifen alte Schönheitsideale und kommerzielle Logiken“, sagt Reitsamer. „In der aktuellen Musikszene wird wieder stark weiße, heterosexuelle Weiblichkeit glorifiziert.“

Zsá Zsá selbst dürfte das egal sein. Allein die Frage, ob sie Feministin sei, bringt ihr Aufmerksamkeit. Und ein paar weitere Hasenohren-Videos, die ihre Musik in die Welt hinaustragen.

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