Landgericht Bielefeld: Bewährungsstrafe im Sterbehilfe-Prozess

Ein 60-Jähriger hilft seinen Eltern beim Sterben. Die Staatsanwaltschaft sieht darin Beihilfe zum Totschlag, der Verteidiger einen Akt der Nächstenliebe. Das Gericht verkündet eine milde Strafe.

Das Landgericht Bielefeld hat einen 60-Jährigen wegen Beihilfe zum Totschlag schuldig gesprochen. Der Mann aus Werther in Ostwestfalen half nach Überzeugung der Richter dabei, dass seine Eltern im Januar 2024 gemeinsam starben. Er habe das Material besorgt, damit sein Vater die letzten Schritte zum gemeinsamen Tod mit seiner schwer an Demenz erkranken Frau einleiten konnte. Der 60-Jährige wurde zu 18 Monaten Gefängnis auf Bewährung verurteilt. 

Bei seiner Urteilsbegründung und danach wählte der Vorsitzende Richter Christoph Meiring viele persönliche Worte und wünschte dem Angeklagten und den Angehörigen, dass sie mit diesem tragischen Fall psychisch klarkommen könnten. 

Der Richter ging auf die sich wandelnden Wertvorstellungen in der Gesellschaft mit dem Umgang zum Ende des Lebens ein. Der Wunsch nach einem selbstbestimmten Tod sei verständlich. Rechtliche und ethischen Fragen würden in diesem Fall miteinander konkurrieren. „Aktive lebensverkürzende Maßnahmen durch Dritte sind aber eindeutig verboten“, sagte der Vorsitzende Richter. 

Rechtsmittel noch offen

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der Verteidiger hatte Freispruch für seinen Mandanten gefordert. Ob er Rechtsmittel einlege, sei noch offen, sagte der Anwalt nach dem Urteil.

Das Gericht blieb damit vier Monate unter der Forderung der Staatsanwaltschaft, die sich allerdings ebenfalls für eine Bewährungsstrafe ausgesprochen hatte. Der Vertreter der Anklage sprach in seinem Plädoyer von einem tragischen Fall, der sich deutlich von anderen Fällen am Schwurgericht abhebe. 

Der Verteidiger sprach seinem Mandanten jede kriminelle Energie ab. Er habe aus Mitgefühl als Akt der Nächstenliebe gehandelt. Sollte das Gericht das anders sehen, sollte es eine angemessene Bewährungsstrafe verhängen. 

Der Verurteilte ist ein 60-Jähriger aus Werther in Ostwestfalen. Er hatte im Januar 2024 dabei geholfen, dass sein 88 Jahre alter Vater sich selbst und die 86 Jahre alte Mutter töten konnte. Dazu hatte er Heliumgas gekauft und im Internet Masken bestellt. Außerdem baute er eine Haltevorrichtung. 

Beim Tod seiner Eltern war der Sohn nicht dabei. Nach seiner Überzeugung wollten beide gemeinsam aus dem Leben scheiden. Seine Mutter war schwer dement und pflegebedürftig, der Vater immer mehr mit der Situation überfordert. 

Der Sohn hatte die Vorwürfe eingeräumt. Das Problem im Prozess: Die Mutter hatte ihren Todeswillen zwar zu früheren Zeitpunkten geäußert, aber wegen ihrer schweren Erkrankung später nicht mehr.

Zweifel des Gerichts nicht ausgeräumt

Das Gericht zeigte sich am Ende nicht ganz davon überzeugt, dass die Mutter vor dem geplanten gemeinsamen Tod ihren Willen dazu geäußert habe. Zwar habe das Paar in den Jahren zuvor immer wieder seine Absicht zu einem gemeinsamen Lebensende geäußert. Aber unmittelbar davor habe es keine konkrete Absprache mehr gegeben. 

Auch in einem Abschiedsbrief des Vaters stehe nur der Hinweis auf Jahre zurückliegende Absichtserklärungen der Mutter. „Deshalb weckt dieser Brief da bei uns Zweifel“, sagte der Vorsitzende Richter. 

Der pauschale Wunsch der Mutter aus früherer Zeit führe nicht zur Straffreiheit, sagte das Gericht in der mündlichen Urteilsbegründung. Der Vater habe als Ehemann getötet und den Beschluss dazu gefasst. Eine Wiederholungsgefahr sieht das Gericht nicht. Deshalb reiche eine geringe Strafe aus, um das Unrecht klarzumachen.

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